Prof. Dr. Ralf Seppelt

"Nachdem das globale IPBES-Assessment 2019 mehr als deutlich gezeigt hat, dass der Erhalt der Artenvielfalt unseres Planeten unser Überleben sichert, gilt es nun mit dem Nexus Assessment aufzuzeigen, was zu tun ist, um gleichermaßen Klimaschutz zu erreichen und den Biodiversitätsverlust aufzuhalten. Aus meiner Sicht sind diese Ziele zwei Aspekte der gleichen Herausforderung: ein vernünftiger, nachhaltiger und gerechter Umgang mit den begrenzt nachwachsenden Ressourcen unseres Planeten."

Portraitfoto Prof. Dr. Ralf SeppeltSebastian Wielding; Foto bereitgestellt von
Prof. Dr. Ralf Seppelt

Angaben zur Person:

Prof. Dr. Ralf Seppelt, Mathematiker und Landschaftsökologe

Institutionelle Anbindung:

Weitere Hintergrundinformationen zu Person und Institution:
Wikipedia

Autor in welcher Expertengruppe / Task Force (vergangen und gegenwärtig); ggf. weitere Funktionen im IPBES-Prozess

  • Lead Author in Kapitel 5 des Assessments für IPBES-Arbeitsprogramm Element 2(c); Globales Assessment
  • Coordinating Lead Author für Kapitel 2 des Nexus-Assessments 'Biodiversität, Wasser, Gesundheit und Ernährung' im Rahmen des IPBES-Arbeitsprogramms bis 2030

Fragen:

Was ist Ihre Motivation, sich aktiv am IPBES-Prozess zu beteiligen?
Als Wissenschaftler insbesondere in den Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften habe ich eine gesellschaftliche Verantwortung, Erkenntnisse zu kommunizieren. Das geht über die Betreuung und Ausbildung von Studierenden hinaus. Die Kommunikation von Erkenntnissen und Ergebnissen in die Gesellschaft ist eine Daueraufgabe von Wissenschaft und Forschung.

Was ist für Sie das Besondere am Weltbiodiversitätsrat IPBES?
Die unfassbare Menge wissenschaftlicher Erkenntnis und Evidenz politikrelevant, aber nicht präskriptiv, zusammenzufassen – nicht anderes ist die Arbeit für und von IPBES und IPCC – ist ohne Frage die Champions League der Wissenschaftskommunikation in der Politikberatung. Zum Glück werden Begriffe wie „Biodiversität“, „Artenvielfalt“ oder „Ecosystem Services“ nicht mehr als so sperrig und unbekannt empfunden. Ihre Bedeutung für unsere Gesellschaften ist viel mehr im Bewusstsein als noch vor ein paar Jahren und sie werden in einem Atemzug wie die „Klimakriese“ genannt. Einen großen Beitrag hat dazu das Globale Assessment von IPBES geleistet (s. "Die Arten dieser Erde sichern unser Überleben")

Sie waren bereits länger an einem IPBES-Prozess beteiligt. Welche Erfahrungen haben Sie dort bisher machen können und was hat Sie besonders beeindruckt?
Die Verhandlungen zur Summary for Policy-Maker des Global Assessment in Paris sind mir noch lebhaft in Erinnerung. Eine anstrengende aber sehr interessante Woche mit vielen intensiven Gesprächen mit vielen hoch kompetenten und nur selten rein politisch argumentierenden Delegierten. Hier mussten wir Experten alle unsere Fakten parat haben, um unsere Kernaussagen zu begründen und manchmal zu verteidigen. Immerhin stehen hinter den 29 Kern- und 40 Hintergrundaussagen auf 50 Seiten, die Satz für Satz diskutiert werden, 1150 Seiten Bericht basierend auf mehr als 15.000 Publikationen.

Für welches Kapitel haben Sie sich zur Verfügung gestellt und was wäre ein wertvolles Resultat aus Ihrer Sicht?
Die Co-Chairs des Assessments und das Bonner Büro waren der Meinung, dass ich zusammen mit Paula Prist (USA), David Hayman (Neuseeland) und Ernest Molua (Cameroon) die Koordination des Kapitel „Status and past trends of interactions in the nexus“ übernehmen könnte. Die Analyse unterschiedlicher Wechselbeziehungen von Biodiversität mit Klima-Mitigation und -Adaptation, Gesundheit, Wasser und Nahrungsproduktion ist eine entscheidende Grundlage für das Assessment im Ganzen. Hier kann ich insbesondere meine Kompetenzen zu Wechselwirkungen von Biodiversität in Agrarlandschaften (Video) basierend auf Synthese-Studien („Wieviel Natur verlieren wir durch höhere Erträge?“) und Modellanalysen („Künftige Gefahren für die Biodiversität“) einbringen.

Welche Erfahrungen haben Sie bereits mit "Wissenschafts-Politik-Schnittstellen" gemacht? Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie bei einer Mitarbeit an solchen Schnittstellen?
Vor allem mit den Ergebnissen des Globalen Assessments konnte ich beobachten, dass damit eine Reihe von Diskussionsprozessen in der Gesellschaft angestoßen werden konnten, die letztlich auch den Eingang in den aktuellen Koalitionsvertrag geschafft haben. Erstaunlicherweise übernimmt man als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler dabei nicht nur die Rolle des Faktenlieferers sondern auch die des Moderators, so zum Beispiel bei der Präsentation des Global Assessments im Bundestag. Sehr hilfreich sind nun die Erfahrungen der Erstellung derartiger politik-relevanter Syntheseberichte für andere Prozesse, wie z.B. Studien der Leopoldina.

Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie bei einer Mitarbeit an solchen Schnittstellen?
Wissenschaft hat sich in den letzten Jahren, genauso wie andere Teile der Gesellschaft, in einem Globalisierungsprozess verändert, insbesondere wenn es darum geht, Erkenntnisse für gesellschaftliche und politische Entscheidungsprozesse verfügbar zu machen. Die Gesellschaft fordert, meiner Meinung nach zu Recht ein, Ergebnisse so aufzubereiten, dass diese in Entscheidungsprozesse einfließen können – nur wird dies im Wissenschaftssystem leider nicht honoriert, noch nicht. Allerdings erfordert dies ein großes Maß an Offenheit und Kommunikationsfähigkeit, Aspekte, die vielleicht viel zu wenig Bestandteil entsprechender Studiengänge sind.

Was ist Ihr persönlicher Wunsch für die Zukunft von IPBES?
Umsetzung. Wie auch in Bezug auf den Klimawandel, sind die direkten und indirekten Treiber und die Prozesse des Verlustes der Artenvielfalt und dem damit verbundenen Verlust an Stabilität und Produktivität der Ökosysteme in unserer Umwelt schon lange bekannt. Ich erhoffe mir von den kommenden Prozessen in IPBES, also den Nexus- und Transformative Change Assessments, überzeugende Argumente und viele Fakten, die Entscheidungsträger und die Gesellschaft im Ganzen inspirieren und motivieren, Maßnahmen einzuleiten aber vor allem auch Verhaltensänderungen zu befördern, sodass unser Ressourcenverbrauch im Ganzen massiv sinkt. Eine Voraussetzung dafür ist, dass die politische Kapazität da ist, sich den Themen Klima und Artenvielfalt wieder mit viel mehr Energie zuzuwenden – was die aktuell viel dringend erscheinenden globalen Krisen leider nicht zulassen. Ich hoffe, dass wir nicht noch mehr Zeit verlieren.