Informationen für und von Experten und Expertinnen

Was erwartet Sie als Experten und Expertinnen oder Autoren und Autorinen bei IPBES? Wie können Sie mit Ihrer Expertise zum Diskurs beitragen? Hier schildern einige unserer Experten und Expertinnen ihre Erfahrungen mit IPBES.

I. Warum es sich lohnt, bei IPBES teilzunehmen

IPBES ist momentan einer der größten und dynamischsten internationalen Wissenschafts-Politikprozesse, der ein hohes öffentliches Interesse und gute Vernetzungsmöglichkeiten für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bietet. Allerdings ist die Teilnahme als Leitautor oder Leitautorin auch zeitintensiv und konkurriert mit anderen Aufgaben in der Forschung und Lehre. Was macht also den Reiz aus, sich zusätzlich in IPBES zu engagieren?

Dr. Christine Fürst

Prof. Dr. Christine Fürst
Leitautorin im regionalen IPBES-
Assessment zu Europa und Zentralasien

Foto bereitgestellt von Prof. Dr. Christine Fürst

Wissenschaftliche Publikationen stellen ein wesentliches Kommunikationsmittel und einen zentralen Karrierefaktor dar. Zahlreiche Indices erlauben es, den „Marktwert“ der publizierten Forschungsarbeiten zu beurteilen und dienen der Bewertung durch externe Gutachter in der weiteren Karriereentwicklung. Der Druck „gut zu publizieren“ wächst daher vor allem für Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler oder solche, die sich auf der Schwelle zwischen PostDoc oder Senior Scientist und einer weiteren Karriere an Hochschulen oder Forschungszentren befinden. Nur heißt „gut publizieren“ noch lange nicht „intensiv wahrgenommen werden“. Insbesondere hochrangige Fachzeitschriften bieten Open-Access Publikationen, die i.d.R. eine weitaus häufigere Zitation und breitere Wahrnehmung erfahren, nur zu deutlichen Mehrkosten zu Lasten der Autorinnen und Autoren.

Andererseits hängt die Bewertung, wie „relevant“ Forschung publiziert wird, vor allem auch daran, in möglichst hochrangigen Zeitschriften zu veröffentlichen.

Dr. Christian Albert

Dr. Christian Albert
Leitautor im regionalen IPBES-
Assessment zu Europa und Zentralasien

Foto bereitgestellt von Dr. Christian Albert

IPBES – ähnlich wie schon IPCC – bietet die einmalige Gelegenheit, Forschungsexpertise und -ergebnisse relevant, hochrangig und gut sichtbar zu publizieren, auch wenn die resultierenden Berichte nicht mit Indices wie dem ISI-Impact Factor bewertet werden. Außerdem bietet sich gerade im Bereich der regionalen Bewertung von Biodiversität und Ökosystemleistungen (IPBES Deliverable 2b) die herausragende Möglichkeit, wirklich interdisziplinär zusammenzuarbeiten und zu publizieren; letzteres ist nach wie vor gerade an der Schnittstelle zwischen Umwelt- und Sozialwissenschaften sehr schwierig, da die Begutachtenden die Publikationen oft nur aus einer Perspektive beurteilen. IPBES bietet hier auch den Vorteil einer großen Transparenz der Zusammenarbeit zwischen Autorinnen und Autoren sowie Begutachtenden, ein Aspekt, der in den nach wie vor meist anonymen Begutachtungsverfahren der Fachzeitschriften nicht realisiert werden kann. Die Begutachtung der IPBES-Berichte durch Akteur:innen aus Politik und Zivilgesellschaft ermöglicht es den Autorinnen und Autoren darüber hinaus, einen Einblick zu bekommen, welche Argumente und Aspekte für Politikprozesse besonders wertvoll und hilfreich sind.

Dr. Jennifer Hauck

Dr. Jennifer Hauck
Koordinierende Leitautorin im regionalen IPBES-Assessment zu Europa und Zentralasien

Foto bereitgestellt von Dr. Jennifer Hauck

Auch die Auswahl der Autorinnen und Autoren bietet große Chancen, zwischen Generationen und zwischen eher grundlagen-, anwendungs- und umsetzungsorientierten Fachleuten Netzwerke zu etablieren, die neue Perspektiven für die wissenschaftliche und berufliche Weiterentwicklung bieten. Die Mischung aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf der einen Seite und in der Politikberatung aktiven Expertinnen und Experten auf der anderen Seite ist darüber hinaus eindeutig spannend und hilft zu verstehen, welche Erwartungen an die Aufbereitung von Forschungsergebnissen gestellt werden. Lerneffekte ergeben sich auch aus der Zusammenarbeit mit erfahrenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, wie große Autor:innen-Teams mit unterschiedlichsten Expertisen und kulturellen Hintergründen geleitet werden können. Nicht zuletzt sind genau diese Erfahrungen und der Nachweis in internationalen Verbünden mitzuarbeiten auch wesentliche Einstiegsvorrausetzungen für Stellen im wissenschaftlichen Umfeld.

Insgesamt besteht eine wesentliche Motivation darin, tatsächlich und nachweisbar zu einer nachhaltigen Zukunft beizutragen und an Handlungsempfehlungen aktiv mitwirken zu können. Dass letztere das intellektuelle Gemeinschaftsprodukt einer großen Anzahl von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sind, erhöht nicht nur deren Relevanz und Gewicht, sondern stellt auch den eigentlichen Reiz der Mitwirkung an IPBES dar. Wer hier an der Synthese mitwirkt, erlebt eine lebendige Zusammenarbeit, einen konstruktiven Austausch und erhält nebenbei einen ungleich tieferen Einblick in Forschungsergebnisse sowie lokales und indigenes Wissen zu Biodiversität und Ökosystemleistungen als dies im Rahmen anderer Forschungskooperationen jemals möglich wäre.

(September 2015)


II.  Verhandlung des IPBES-Bestäuber-Assessments in Kuala Lumpur – aus der Sicht eines Autors

Prof. Dr. Josef Settele  vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) ist einer der Mitherausgeber des IPBES-Bestäubungsberichtes. Er war drafting author der Zusammenfassung für Entscheidungsträger (Summary for Policymakers – SPM) sowie koordinierender Leitautor für das Kapitel zu den Treibkräften der Veränderungen bei Bestäubern und Bestäubung:

Prof. Dr. Josef Settele bei der Arbeit vor dem Computer

Prof. Dr. Josef Settele
Koordinierender Leitautor des IPBES-Assessments zu Bestäuber, Bestäubung und Nahrungsmittel-produktion

Foto bereitgestellt von André Künzelmann, UFZ

„Das Gesamt-Autorenteam des ‚Bestäubungsberichtes‘ hatte im Vorfeld der Verhandlungen in Kuala Lumpur (22.-28. Februar.2016) über 10.000 Gutachterkommentare zu bearbeiten und zu beantworten. Allein das Kapitel, für das ich mit zuständig war, erhielt insgesamt über 2.500 Kommentare. Zudem wurden hunderte Kommentare zur letzten Fassung der SPM noch bis zum 20. Februar 2016 gesichtet. Diese mussten aber nicht einzeln beantwortet werden, sondern dienten als Orientierung für die Verhandlungen vor Ort.

Auf dem vierten Plenum von IPBES-4 in Kuala Lumpur erstreckten sich die Diskussionen zur 24-seitigen SPM über drei Tage. Die Verhandlungsatmosphäre während der insgesamt 20 Verhandlungsstunden war sehr konstruktiv, und ich hatte den Eindruck, dass das gemeinsame Anliegen der Regierungsdelegationen wie auch der Wissenschaftler in der Tat darin bestand, den Text möglichst verständlich und zugleich sachlich richtig zu gestalten. An nur wenigen Stellen des Dokumentes musste in kleineren Gruppen ein für Alle akzeptabler Text entwickelt werden, der dann dem Plenum zur Annahme vorgeschlagen wurde. Dies war zum Beispiel bei einigen Passagen zu den Wirkungen von Pestiziden der Fall, wo ein solcher Text unter Beteiligung von ca. 10 Regierungsdelegationen erarbeitet wurde (wobei im Wesentlichen auf bestehende Texte der Executive Summary des betreffenden Kapitels im Hauptbericht zurückgegriffen werden konnte). Insgesamt erfuhr der von uns Wissenschaftlern vorgeschlagene Text kaum gravierende Änderungen, so dass wir mit dem Ergebnis aus wissenschaftlicher Sicht sehr zufrieden sind – und ich denke auch, dass die Politikrelevanz der SPM durch die Kooperation mit Regierungsdelegationen über die drei Verhandlungstage gestärkt werden konnte.

Für mich war die Beteiligung als koordinierender Leitautor an diesem Prozess, wie auch meine vorhergehende Beteiligung in ähnlicher Rolle beim IPCC, eine besondere Erfahrung bezüglich internationaler Prozesse. Insbesondere die enge Kooperation mit vielen sehr angesehenen Wissenschaftlern wie auch der Austausch mit Vertretern z.B. von Nichtregierungsorganisationen und der Industrie trug zur abermaligen Horizonterweiterung bei. Ebenso scheinen sich derzeit aus der Kooperation gute Optionen für gemeinsame wissenschaftliche Publikationen zu ergeben. Wenn man wissenschaftliche Erkenntnis in politikrelevantes Wissen übersetzen will, dann sind Prozesse wie der IPBES ein ideales Instrument hierfür und eine Beteiligung kann nur empfohlen werden - wenngleich man dafür in der Tat viel Zeit (hier netto bei mir ca. 5 Monate) und, wie in meinem Fall, auch für die Reisen eigene Ressourcen aufbringen muss.

(März 2016)

Gruppenbild vom Erstes internationales IPBES-Autorentreffen

1. internationales IPBES-Autor:innentreffen zum regionalen/subregionalen Assessment "Europa und Zentralasien" in Engelberg, Schweiz, vom 31.August bis 4. September 2015

Ulf Molau, Universität Gothenburg/Schweden