Zusammenfassung und Bewertung IPBES-relevanter Aktivitäten und Ergebnisse der 15. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD COP 15)

Die Vertragsstaatenkonferenz fand vom 7. - 19. Dezember 2022 in Montreal, Kanada statt.


 Zusammengestellt von Dr. Mariam Akhtar-Schuster und Marina Rižovski-Jansen
(deutsche IPBES-Koordinierungsstelle, Berlin | Bonn 30.01.2023)

Mit Beiträgen von Prof. Josef Settele, Mitglied des Multidisziplinären Expertengremiums des IPBES [Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig] 
 

Hintergrund

Mit dem Auslaufen des „Strategischen Plans 2011-2020 des Übereinkommens über die biologische Vielfalt“ (CBD), fand der beschlussfassende zweite Teil der 15. Vertragsstaatenkonferenz (CBD COP 15) am Sitz des CBD-Sekretariats und unter der COP-Präsidentschaft von China statt, nachdem die Konferenz wegen der COVID-19-Pandemie mehrfach verschoben worden war.

Ein erster, insbesondere politischer, Teil der COP 15 hatte bereits im Oktober 2021 im chinesischen Kunming in hybridem Format stattgefunden. In diesem ersten Teil der COP wurde die Kunming Deklaration verabschiedet. Diese Erklärung verdeutlichte die Notwendigkeit, den weltweiten Verlust an biologischer Vielfalt zu stoppen.

CBD Bild1

Eindrücke von CBD COP 15 (7.-19. 2022 Dezember, Montreal, Kanada)

Dr. Rainer Sodtke, DLR-PT

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Eindrücke von CBD COP 15 (7.-19. 2022 Dezember, Montreal, Kanada)

Dr. Rainer Sodtke, DLR-PT

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Eindrücke von CBD COP 15 (7.-19. 2022 Dezember, Montreal, Kanada)

Dr. Rainer Sodtke, DLR-PT

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Eindrücke von CBD COP 15 (7.-19. 2022 Dezember, Montreal, Kanada)

Dr. Rainer Sodtke, DLR-PT

Veranstaltungsrahmen und Beschlüsse in Montreal

Parallel zur CBD COP 15 fanden in Montreal das zehnte Treffen der Vertragsparteien des Cartagena-Protokolls über die biologische Sicherheit und das vierte Treffen der Vertragsparteien des Nagoya-Protokolls über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile (COP-MOP 4) statt. Das fünfte Treffen der Open-Ended Working Group (OEWG 5) zur Erarbeitung des globalen Rahmens für biologische Vielfalt (OEWG 5) war der Konferenz vom 3.-5. Dezember 2022 vorausgegangen.

Im Fokus der CBD COP 15 stand die Verhandlung und Verabschiedung des neuen globalen Rahmens für biologische Vielfalt („Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework“, GBF). Die Staatengemeinschaft hat sich mit dem GBF darauf geeinigt, die Treiber des globalen Biodiversitätsverlusts zu adressieren, um eine Trendwende gegen das Artenaussterben und die Zerstörung natürlicher Ökosysteme bis 2030 einzuleiten.

Die Konferenz hat neben dem GBF insgesamt über 50 weitere Beschlüsse zur CBD, zum Nagoya-Protokoll und zum Cartagena-Protokoll verabschiedet.

Die DEU Delegation unter Leitung von Bundesumweltministerin Lemke bestand insgesamt aus über 100 Personen, darunter auch Vertreter:innen der IPBES-Koordinierungsstelle, die vor Ort und auch virtuell an der mehrwöchigen Sitzung teilnahmen. Tagesordnungspunkt 15 der COP befasste sich mit der Kooperation mit anderen Konventionen, internationalen Organisationen und Initiativen und dabei auch mit dem laufenden IPBES-Arbeitsprogramm bis 2030.
 

Die Relevanz des neuen Biodiversitätsrahmens für IPBES

Das „Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework“ (GBF) wurde in den frühen Morgenstunden des 19. Dezember angenommen. Die wichtigsten Inhalte sind:

  • vier langfristige Ziele bis 2050 (Goals) und 23 Handlungsziele (Targets), die die Vertragsstaaten bis 2030 gemeinsam erreichen wollen, und
  • Vereinbarungen, wie sie diese Ziele umsetzen, wie sie den Stand der Umsetzung kontrollieren, und wie die Umsetzung finanziert wird.

Der GBF folgt der langfristigen Vision, dass die Menschheit bis 2050 vollkommen im Einklang mit der Natur lebt. Bis 2030 soll der Verlust der biologischen Vielfalt gestoppt und der Trend auch durch Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur umgekehrt werden (Abbildung 1).

Abbildung 1

Der neue globale Rahmen für die biologische Vielfalt für die Zeit nach 2020 („Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework“, GBF) spiegelt nicht nur die drei Ziele der CBD wider (siehe Statusziele A, B, C), sondern hat mit dem Statusziel D auch Instrumente zur Operationalisierung des neuen Rahmens festgelegt. Einzelheiten zu den Statuszielen (Goals) und den 23 Handlungszielen (Targets) finden Sie auf der CBD-Webseite unter diesem Link)

Graphische Umsetzung: Deutsche IPBES-Koordinierungsstelle


Einige wichtige Zielvereinbarungen (verkürzt dargestellt) des GBF umfassen auch folgende Aspekte, die im Rahmen von vergangenen, laufenden und möglicherweise künftigen IPBES-Aktivitäten relevant sein dürften (die vollständige Wiedergabe der Handlungsziele finden Sie hier):

  • Effektiver Schutz und Bewirtschaftung von mindestens 30 Prozent der weltweiten Landflächen und der Ozeane.
  • Wiederherstellung von mindestens 30 Prozent der geschädigten Land-, Binnengewässer-, Küsten- und Meeresökosysteme.
  • Verringerung des Verlusts von Gebieten mit hoher biologischer Vielfalt, einschließlich Ökosystemen mit hoher ökologischer Integrität, auf nahezu Null.
  • Halbierung der weltweiten Lebensmittelverschwendung und Reduzierung des Verbrauchs und Abfallerzeugung.
  • Halbierung des Nährstoffüberschusses und des Gesamtrisikos von Pestiziden und hochgefährlichen Chemikalien.
  • Schrittweise Abschaffung oder Reform von Subventionen, die der biologischen Vielfalt schaden.
  • Verhinderung der Einschleppung prioritärer invasiver gebietsfremder Arten („invasive alien species“). Zu invasiven Arten wird ein IPBES-Assessment erstellt, das auf der 10. Vollversammlung von IPBES zur Annahme vorgelegt wird.
  • Verpflichtung großer und transnationaler Unternehmen und Finanzinstitutionen, ihre Risiken, Abhängigkeiten und Auswirkungen auf die biologische Vielfalt im Rahmen ihrer Tätigkeiten zu bewerten und transparent offenzulegen. Das laufende IPBES-Assessment zu Wirtschaft und Biodiversität könnte relevante wissenschaftliche Aspekte liefern.
     

Eigener Beschluss zu IPBES der CBD COP 15

Im Beschluss von COP 15 zu IPBES wird das IPBES-Arbeitsprogramm bis 2030 begrüßt und die laufenden IPBES-Bewertungen zu „Nexus“, „Transformativem Wandel“ und „Wirtschaft und Biodiversität“ befürwortet. Die im Juli 2022 auf der neunten IPBES-Vollversammlung angenommenen Assessments zu „vielfältigen Werten der Natur“ sowie der „nachhaltigen Nutzung wildlebender Arten“ wurden begrüßt. Der wissenschaftlich-technische Ausschuss des CBD (SBSTTA) wurde ersucht, die Ergebnisse dieser beiden 2022 von den IPBES-Mitgliedstaaten angenommenen Assessments im Lichte des neuen globalen Rahmens der CBD bis zur 16. Sitzung der Vertragsstaaten der CBD zu prüfen.

Überdies wurde die Zusammenarbeit zwischen IPBES und IPCC begrüßt und die Workshop-Berichte zu Biodiversität und Pandemien und Biodiversität und Klimawandel (IPBES | IPCC) zur Kenntnis genommen.

Die Rolle der Arbeiten von IPBES zur wissenschaftlichen Unterstützung der CBD und insbesondere für die Umsetzung des GBF wird auch daran deutlich, dass im oben genannten CBD-Beschluss die Relevanz für ein zweites globales IPBES-Assessment betont sowie vier Themenvorschläge (fast-track Assessments) als Reaktion auf die IPBES-Notifikation vom 22. November 2022 zur Einreichung weiterer Vorschläge für das Arbeitsprogramm bis 2030 formuliert wurden.

Ferner wurde die Exekutivsekretärin von IPBES ersucht zu prüfen, wie IPBES im Rahmen seiner Funktionen zum Kapazitäten-Aufbau, zur Stärkung politik-relevanten Wissens sowie zum „Review- sowie Monitoring-Prozess“ bei der Umsetzung des neuen globalen Biodiversitätsrahmen beitragen kann.

Weitere IPBES-relevante Aktivitäten in Montreal, die die wissenschaftliche Rolle von IPBES im GBF darstellen

Noch vor Beginn der offiziellen Verhandlungen wurden am 6. Dezember 2022 am Science Day einige zentrale Hintergrundinformationen aus der Wissenschaft vorgestellt. Am Vormittag erfolgte hierbei eine Übersicht über IPBES-Aktivitäten. Als Einstieg dienten die Präsentationen der Hauptergebnisse des Globalen IPBES-Assessments (2019), die von den Co-Chairs des Berichts (Sandra Díaz (Argentinien), Josef Settele (Deutschland) und Eduardo Brondizio (Brasilien) vorgestellt und in den Kontext der verschiedenen Statusziele (Goals) und Handlungsziele (Targets) des GBF gestellt wurden. (Der Vortrag der Co-Chairs kann hier eingesehen werden. Fotos zur Session können hier eingesehen werden.)

Am 11. und 12. Dezember 2022 fand das „Fifth Science-Policy Forum for Biodiversity and the Eight International Conference on Sustainability Science“ statt. In der Session am 12. Dezember mit dem Titel „Sustainability & food systems/ agriculture: Scaling-up and measuring sustainability“ hielt Prof. Josef Settele den Einführungsvortrag mit dem Titel „Sustainability and Food Systems“ in dem unter anderem auf Ergebnisse der hoch aktuellen Befunde des IPBES-Berichts zu Bestäubern, Bestäubung und Nahrungsmittelproduktion (2016), dem globalen Statusbericht zu Biodiversität und Ökosystemleistungen (2019) sowie dem gemeinsamen Workshop-Bericht von IPBES und IPCC aus dem Jahre 2020 zurückgegriffen wurde (hier finden Sie den Vortrag). Der Fokus lag hierbei auf der Agrarökologie, die auch im finalen GBF Erwähnung findet.

Nächste Schritte

  • Aufgrund von Verfahrensfragen im Zusammenhang mit der Wahl des neuen CBD-Büros wird CBD COP 15 zu einem späteren Zeitpunkt formal geschlossen. Einzelheiten dazu sind noch nicht bekannt. Dieser Prozess hat jedoch keine Auswirkung auf die vorliegenden Beschlüsse.
  • IPBES 10 wird über weitere Arbeitselemente bis 2030 beraten.
  • Die CBD COP 16 wird 2024 in Antalya, Türkei, stattfinden.