Einschätzungen aus der Wirtschaft zum geplanten IPBES-Assessment "Wirtschaft & Biodiversität"

Im Gastbeitrag von Dr. Katrin Reuter (Biodiversity in Good Company) wird eine Einschätzung zum geplanten Assessment aus der Wirtschaftsperspektive gegeben. Das methodologische Assessment ist Teil des auf der 7. IPBES-Vollversammlung (IPBES-7) in Paris 2019 verabschiedeten neuen Arbeitsprogramms (2019-2030).

Dr. Katrin Reuter

Dr. Katrin Reuter ist Geschäftsführerin der
'Biodiversity in Good Company' Initiative

F. Nuernberger

IPBES ist für Unternehmen nach wie vor weit weg und sehr abstrakt. Mit dem geplanten Business Assessment könnte sich dies jedoch ändern. Erstens wird es eine Sammlung von Kriterien darstellen, die eine Übersicht über die Abhängigkeiten und Einflüsse in Bezug auf Biodiversität und Wirtschaft geben. Diese Übersicht wird nicht nur für Unternehmen relevant sein, sondern – hoffentlich – auch politische Entscheidungsträger:innen informieren, einen entsprechenden Rahmen zu setzen, in welchem der Schutz und die nachhaltige Nutzung der Biodiversität nicht länger einen Wettbewerbsnachteil darstellen. Zweitens haben Unternehmen durch die Möglichkeit der Beteiligung an der Erstellung des Assessments die Gelegenheit, Chancen und Herausforderungen, die sie als Wirtschaftsakteur:innen direkt betreffen, sowie eigene Methoden und Indikatoren in die wissenschaftliche und politische Debatte einzutragen.

Eigentlich sollte man davon ausgehen können, dass Unternehmen ihre Abhängigkeiten von und Einflüsse auf Biodiversität zumindest im Groben kennen, für Unternehmen des Primärsektors oder aus dem Bereich der Lebensmittelproduktion ist dies sicher zu weiten Teilen auch der Fall. Je komplexer jedoch die Produkte werden und je mehr Produkte ein Unternehmen anbietet, desto komplizierter wird es, Einflüsse und Abhängigkeiten zu evaluieren – das beginnt allein mit der Frage, ob Abhängigkeiten und Einflüsse auf Produkt- oder Unternehmensebene evaluiert werden sollen und ob hier eher auf quantitative oder qualitative Aspekte von Biodiversität geschaut werden soll. Nicht zuletzt stellt sich bei der Entwicklung von Maßnahmen zum Schutz und der nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt auch die Frage, wer entscheidet, welche Biodiversität „gut“ ist, welche Maßnahmen also zu ergreifen sind – das Unternehmen am Ende der Lieferkette, die Erzeuger:innen vor Ort, lokale Naturschützer:innen oder die Politik? Insbesondere die Frage nach Kriterien und Indikatoren, um Biodiversität zu messen ist für Unternehmen relevant. Zwar gibt es diverse Initiativen und Ansätze, die bereits Kriterien und Indikatoren entwickelt haben oder derzeit entwickeln, diese sind jedoch häufig sektorspezifisch oder aufgrund der Komplexität des Themas lückenhaft und abstrakt; teilweise so abstrakt, dass sich über ihre Sinnhaftigkeit diskutieren lässt. Beim Thema Biodiversität wird es vermutlich nie das eine Indikatorenset und die eine Messgröße geben. Da jedes Unternehmen, jeder Sektor, jeder Rohstoff und jede Wertschöpfungskette anders ist und Biodiversität als Thema sowohl komplex als auch kompliziert ist, kann mit gutem Grund gefragt werden, ob es überhaupt sinnvoll wäre, eine einzige Messgröße zu haben. Eine große Chance des Business Assessments liegt auch darin, verschiedene Wege und Methoden aufzuzeigen, wie Biodiversität und wirtschaftliches Handeln integriert werden können. Das Business Assessment kann von Unternehmen dann als Kompendium und Grundlage für die Entwicklung einer Biodiversitätsstrategie genutzt werden.

Ein weiterer Grund, warum IPBES mit dem Business Assessment für Unternehmen an Relevanz gewinnen könnte, ist die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen. Zwar gab es diese Möglichkeit auch bei den bisherigen Assessments, bislang wurde sie jedoch kaum genutzt. Das Business Assessment bietet Unternehmen jedoch die Gelegenheit, zu einem umfassenden Überblick über Chancen und Herausforderungen beizutragen und den Weg zu ebnen, vielleicht nicht die eine Messgröße für Biodiversität zu entwickeln, aber eine gute Grundlage zu schaffen, überhaupt erst einmal einen Überblick über das Thema zu bekommen und es in der Folge auch besser ins eigene Management integrieren zu können.