Dr. Uta Eser

"Die Debatte über den Schutz der biologischen Vielfalt sollte stets die Vielfalt menschlicher Wirklichkeiten mit bedenken. Denn wir haben es im Umgang mit Biodiversität nicht (nur) mit einem Konflikt zwischen 'Mensch' und 'Natur' zu tun, sondern vor allem mit Konflikten zwischen unterschiedlichen Menschen mit sehr unterschiedlichen Wertvorstellungen, Lebensweisen und Einflussmöglichkeiten."

Dr. Uta Eser

Foto bereitgestellt von Dr. Uta Eser

Angaben zur Person:
Dr. Uta Eser, Diplom-Biologin & Umweltethikerin

Institutionelle Anbindung:
Büro für Umweltethik, Tübingen

Weitere Hintergrundinformationen zu Person und Institution:
www.umweltethikbuero.de

Autorin in welcher Expertengruppe / Task Force (vergangen und gegenwärtig); ggf. weitere Funktionen im IPBES-Prozess

Lead-Author im Kapitel 5 des methodologischen Assessments zu Werten von Biodiversität (Arbeitselement 3d).

Fragen:

Was ist Ihre Motivation, sich aktiv am IPBES-Prozess zu beteiligen?
Der Begriff „Biodiversität“ ist ein Konzept, das sich programmatisch im Grenzgebiet (oder im Niemandsland) zwischen Biologie, Politik und Ethik bewegt. Die Frage nach den umwelt- und wissenschaftsethischen Implikationen solcher Grenzobjekte beschäftigt mich seit 20 Jahren. An der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik wird sie virulent.

Was ist für Sie das Besondere am Weltbiodiversitätsrat IPBES?
Außergewöhnlich finde ich, dass im Rahmen eines wissenschaftlichen Assessments ausdrücklich auch Wertfragen gestellt und nicht-wissenschaftliche Wissensformen berücksichtigt werden (sollen).

An welchem Schwerpunktthema arbeiten Sie mit, und was wäre ein wertvolles Resultat aus Ihrer Sicht?
Ich schreibe mit am fünften Kapitel des methodologischen Assessments zu Werten von Biodiversität (Incorporating multiple values of nature and nature’s contributions to people for just and sustainable futures). Meine Hypothese ist, dass die derzeit dominanten ökonomischen Bewertungsmethoden die Vielfalt menschlicher Naturbeziehungen nur unzureichend erfassen. Es wäre schön, wenn wir zeigen könnten, dass Wege in eine nachhaltige und gerechte Zukunft eine ernsthaftere Auseinandersetzung mit relationalen und intrinsischen Werten der Natur erfordern – und dass umgekehrt diese Auseinandersetzung solche Wege eröffnet.

Welche Erfahrungen haben Sie bereits mit "Wissenschafts-Politik-Schnittstellen" gemacht?
Ich berate seit einigen Jahren das Bundesamt für Naturschutz zu ethischen Aspekten der Biodiversitätskommunikation. In diesem Rahmen ist es gelungen, den bislang ökonomisch und ökologisch dominierten Diskurs um Fragen der (intra- und intergenerationellen) Gerechtigkeit und des guten Lebens zu bereichern.

Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie bei einer Mitarbeit an solchen Schnittstellen?
Wissenschaft, Ethik und Politik sprechen ganz unterschiedliche Sprachen. Die Schwierigkeit, die jeweiligen Codes - wahr/unwahr, richtig/falsch und mehrheitsfähig/nicht mehrheitsfähig – ineinander zu „übersetzen“, wird notorisch unterschätzt. Gleichwohl hat die Resonanz auf das Global Assessment eindrucksvoll gezeigt, dass es möglich ist, wissenschaftliche Botschaften politisch relevant zu machen.

Was ist Ihr persönlicher Wunsch für die Zukunft von IPBES?
Ich würde mir wünschen, dass IPBES dazu beiträgt, eine Gesellschaftstheorie der sog. „ökologischen“ Krise zu entwickeln, um den Graben zwischen Wissen und Macht überbrücken zu können. Dass das globale Assessment den Mut hatte, in der Summary for Policy Makers den Konflikt zwischen langfristigem Gemeinwohl und machtvollen Partialinteressen anzusprechen, stimmt mich zuversichtlich.